Leserbrief zum Kommentar: “Angriff war kein Verbrechen“, RZ vom 16.02.2021
Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Bombardierung der beiden Tanklastzüge traf sich der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages zu einer Sondersitzung an der ich als MdB teilnahm. Damals wurde uns vom Generalinspekteur Schneiderhan erzählt, dass die Taliban zwei Tanklastzüge der Bundeswehr entführt hätten, die dann in einem Fluß stecken geblieben seien. Es hätte die Gefahr bestanden, dass beide Fahrzeuge als Waffe genutzt würden. Auf meine Frage, wie das denn praktisch gelaufen sei und, was denn mit der Besatzung der Fahrzeuge geschehen sei, bekam ich während der Sitzung keine Auskunft. Die gesamte Darstellung des Ministeriums und des Generalinspekteurs waren bereits damals unglaubwürdig und mit „heißer Nadel gestrickt“.Verteidigungsminister Jung musste am 27.11.09 zurücktreten, weil er das Parlament und die Öffentlichkeit unvollständig und falsch über die Tötung der Zivilisten informiert hatte. Der neue Verteidigungsminister zu Guttenberg hat den Generalinspekteur und den Staatssekretär Wichert zum Jahresende 2009 mit der Begründung entlassen, dass sie ihm wichtige Informationen vorenthalten hätten. Im Kunduz-Untersuchungsausschuss wurde dann bekannt, dass Oberst Klein mehrere Einsatzregeln der Nato ignoriert hatte. So ließ er vor dem Angriff die Objekte nicht in niedriger Höhe überfliegen und ließ, ohne Vorwarnung, bombadieren. In der Sondersitzung wurde den Teilnehmernnoch gesagt, dass die Lage per Satelitenaufklärung jederzeit verfolgt wurde. Auch Herr Kessler räumt ein seinem Kommentar ein, dass es „Zweifel über den tatsächlichen Hergang der Aufklärung“ gab. Bei den Möglichkeiten der Aufklärung hätte Oberst Klein wissen müssen, dass sich nur Zivilisten an denTanklastern aufhielten. Die Behauptung, dass die Laster als Waffe gegen das Bundeswehrlager in Kundus hätten eingesetzt werden können, wurde dadurch widerlegt, dass sich die Fahrzeuge vom Militärcamp weg bewegten. Auch das hätte Klein erkennen müssen. Dazu kommt, dass die gesamte militärische Vorgeschichte dieses grausamen Verbrechens ausgeblendet und durch die schnellen Entlassungen weiter vernebelt wurde. Der verantwortliche Täter für ein deutsches Kriegsverbrechen in Afghanistan wurde später zum General befördert. Die hinterbliebenen Zivilopfer bekamen weder vor deutschen Gerichten, noch vor dem EuGH eine Entschädigung. Welch schreiende Ungerechtigkeit von den sogeannten Rechtsprechern.
Gert Winkelmeier, Neuwied